Projektmanagement-Kompetenz [engl.: Project Management Competence] Sach- und Fachverstand auf dem Gebiet des Projektmanagements, den (a) ein Individuum, (b) ein Projektteam, (c) eine Organisation, ein Unternehmensbereich, eine Branche oder (d) eine Gesellschaft (Land, Staat) besitzt.
Zu (a): Die Projektmanagement-Kompetenz einer Person kann nach [10] anhand ihres Wissens, ihrer Kenntnisse, Fähig- und Fertigkeiten, ihrer praktischer Erfahrung in Projekten (Anwendungskompetenz) sowie nach ihrem Auftreten und Verhalten anderen Menschen gegenüber beurteilt werden. In der Praxis existiert eine Reihe unterschiedlicher Ansätze zur Strukturierung der Projektmanagement-Kompetenz. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen im Umfang der einzeln betrachteten Projektmanagement Kompetenzelementen und deren Gruppierung in Projektmanagement-Kompetenzbereiche [engl.: Competence Ranges]. In [6] und [11] werden für Wissen und Erfahrung beispielsweise in vier Kompetenzbereichen insgesamt 39 Elemente (im Folgenden in den Klammern) definiert:
Grundlagenkompetenz (Management, Projekte und Projektmanagement, Projektumfeld/ Stakeholder, System denken und PM, PM-Einführung, Projektziele, Projekterfolgs-/-misserfolgskriterien, Projektphasen/-lebenszyklus, Normen/Richtlinien),
Sozialkompetenz (soziale Wahrnehmung, Kommunikation, Motivation, soziale Strukturen/Gruppen/Teams, Lernende Organisation, Selbstmanagement, Führung, Konfliktmanagement, spezielle Kommunikationssituationen),
Methodenkompetenz (Projektstrukturierung, Ablauf- und Terminmanagement, Einsatzmittelmanagement, Kostenmanagement, Finanzmittelmanagement, Leistungsbewertung/Projektfortschritt, Integrierte Projektsteuerung, Mehrprojektmanagement, Kreativitätstechniken, Methoden zur Problemlösung),
Organisationskompetenz (Unternehmens-/ Projektorganisation, Qualitätsmanagement, Vertragsinhalte/-management, Konfigurations-/Änderungsmanagement, Dokumentationsmanagement, Projektstart, Risikomanagement, Informations-/Berichtswesen, EDV Unterstützung im Projekt, Projektabschluss/-auswertung, Personalwirtschaft und Projektmanagement).
Diese vier Kompetenzbereiche werden z.B. in [10a] und in [11] um zwei weitere Bereiche mit insgesamt 18 Aspekten (Elementen) zur Beurteilung der Persönlichkeit ergänzt:
persönliches Verhalten (Kommunikationsfähigkeit, Initiative/Engagement/Begeisterungsfähigkeit/Motivationsfähigkeit, Kontaktfähigkeit/Offenheit, Sensibilität/Selbstkontrolle/ Wertschätzungsfähigkeit/Verantwortungsbewusstsein/persönliche Integrität, Konfliktbewältigung/Streitkultur/Fairness, Lösungsfindungsfähigkeit/ ganzheitliches Denken, Loyalität/Solidarität/Hilfsbereitschaft, Führungseigenschaften),
allgemeiner Eindruck (Logik, systematische und strukturierte Denkweise, Fehlerfreiheit, klare Ausdrucksweise, gesunder Menschenverstand, Transparenz, Übersicht, ausgewogenes Urteilsvermögen, Erfahrungshorizont, Geschick). In der ICB 3.0 [10b] waren alle vorstehenden Elemente und Aspekte in insgesamt 46 Kompetenzelementen und drei Kompetenzbereichen unter »The eye of competence« zusammengefasst. Das »The eye of competence« stellt die Integration aller PM-Gebiete bei der Bewertung einer bestimmten Situation durch das Auge des Managers dar. Das    Kompetenzauge steht auch für Klarheit und Weitblick [10, 14]. Die ICB 4.0 hat die drei Kompetenzbereiche des »Eye of Competence« zu den drei P (Perspective, People, Practise) umdefiniert. Dabei wurden die 46 Kompetenzelemente ohne Verzicht auf einzelne Kompetenzelemente zu 29 zusammengefasst. Danach umfasst Projektmanagement-Kompetenz:
Praxisanwendung [engl.: Practise] mit 14 fundamentalen PM-Elementen (Design; Requirements, Objectives and Benefits; Scope; Time; Organisation and Information; Quality; Finance; Resources; Procurement and Partnership; Plan and Control; Risks and Opportunities; Stakeholders; Change and Transformation; Select and Balance),
Personal [engl.: People] mit zehn Elementen zur Persönlichkeit und zum persönlichen Verhalten (Self-Reflection and Self Management; Personal Integrity and Liability; Personal Communication; Relations and Engagement; Leadership; Teamwork; Conflict and Crises; Resourcefulness; Negotiation; Result Orientation),
Perspektive [engl.: Perspective] mit fünf Elementen zum Umfeld von Projekten und zu anderen Managementgebieten ( Strategy; Governance, Structures and Processes; Compliance, Standards and Regulations; Power and Interest; Culture and Values).
Hinweis: Die Kompetenzbereiche und Kompetenzelemente der ICB sind von den IPMA-Mitgliedsorganisationen vollständig in die jeweilige nationale Kompetenzrichtlinie (NCB) zu übernehmen. Sie finden sich z.B. für Deutschland in der NCB 3.0 von PM-ZERT wieder[3]. Dementsprechend strukturiert ist auch das 2009 erschienene vierbändige GPM-Fachbuch Kompetenzbasiertes Projektmanagement (PM3) [2]. Die Darlegung und Bewertung der PM-Kompetenz einer Person als Kompetenznachweis erfolgen im Rahmen der Zertifizierung bzw. des Zertifizierungsprozesses, in dem die PM-Kompetenz eines Kandidaten mit Hilfe einer oder mehrere schriftlicher, verbaler oder praktischer Methoden bzw. der Beobachtung festgestellt wird. Diese Bewertung ist jedoch kein Maß und keine Vorhersage für die Zukunft. Sie bewertet das Wissen und die Erfahrung des Kandidaten in der Vergangenheit und Gegenwart auf der Grundlage der von ihm vorgelegten und von den Assessoren überprüften Belege. Diese Bewertung ist aber ein guter Indikator für die erfolgreiche Bewältigung zukünftiger Projekte und zugleich eine gute Grundlage für die Planung der beruflichen Entwicklung [3, 10, 23, 24]. Die Ende 2015 veröffentlichte ICB 4.0 wurde in die deutschsprachige NCB 4.0 überführt und im Dezember 2016 veröffentlicht. Die NCB 4.0 steht seitdem zum kostenlosten Download bei den deutschsprachigen Verbänden zur Verfügung.
Zu (b, c, d):Da sich die Gesamtkompetenz eines Teams wie auch einer Organisation oder Gesellschaft natürlicherweise auch aus den Einzelkompetenzen der Mitglieder zusammensetzt, können die oben genannten Kompetenzbereiche im Grundsatz auch für die Organisationale Kompetenz gelten. Die Gesamtkompetenz eines Projektteams erfordert jedoch – entsprechend der Rollenverteilung – unterschiedliche Schwerpunkte der individuellen Kompetenzen, insbesondere in Bezug auf die jeweiligen Persönlichkeitsaspekte. Die spezifische organisationale Kompetenz (zusätzlich zur summarischen Kompetenz der Individuen) lässt sich grundsätzlich anhand von
• Projektorientierung,
• Werthaltung und
• Projektmanagement-Kultur
beschreiben, beurteilen und bewerten. Zur Beurteilung der Projektmanagement-Kompetenz einer projektorientierten Gesellschaft sind nach R. Gareis [37] acht Kriterien (der praktischen Anwendung und der zur Verfügung stehenden Dienstleistungen) geeignet: (1) Projektmanagement-Praxis, (2) Programmmanagement-Praxis, (3) Projektportfolio-Management-Praxis, (4) Personalmanagement in projektorientierten Organisationen (POO), (5) Organisationsgestaltung von POO, (6) PM-Ausbildungsdienstleistungen, (7) PM-Forschungsdienstleistungen, (8) PM-Marketingdienstleistungen.
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